Von etablierten Bundesligakennern wird die Bundesliga auch schon gerne mal als „Zweiklassengesellschaft“ bezeichnet. Hinter dieser Aussage ist die wirtschaftliche Dominanz von bestimmten Vereinen gemeint, natürlich in erster Linie vom FC Bayern München. Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Alfons Madeja, Managing Board – SLC Management GmbH
Hinterfragt man diese Aussage mit kritischem Blick und analytischem Scharfsinn, erfährt man die Hintergründe und Ablenkungsmanöver von ganz normalen Mechanismen, die nicht nur die Bundesliga, sondern auch die Wirtschaft kennzeichnen. Mit dem Unterschied, dass in der Wirtschaft niemand innerhalb einer Branche von einer Zweiklassengesellschaft zwischen den Unternehmen sprechen würde, sondern Unterschiede als natürliches Leistungsgefälle akzeptiert. Warum sollte dies also im Profi-Fußball anders sein?
Die Bundesliga hat sich in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Dieser Ruf hat auch seinen Grund in den seriösen Wirtschaftsregeln, denen sich die Bundesliga unterworfen hat. Die Bundesliga hält hierzu einen sehr soliden Handlungsrahmen für die Clubs bereit, innerhalb dessen sich die Clubs sehr erfolgreich positionieren können.
Wie es jedoch innerhalb eines wettbewerbsgeprägten Systems üblich ist – und dies bezieht sich nicht nur auf den Sport als Wettbewerb – nutzen die Teilnehmer der Bundesliga den bereitgestellten Rahmen in sehr unterschiedlicher Zielsetzung, unterschiedlicher Inanspruchnahme der Möglichkeiten bzw. Potentiale der Bundesliga als auch in unterschiedlicher Qualität. Hieraus ergeben sich selbstverständlich nicht nur unter-schiedliche Produkte, sondern auch unterschiedliche Ergebnisse der Produkte. Und die besten Nutzer innerhalb der Bundesliga erreichen dann sogar eine gewisse Nachhaltigkeit ihres Handelns, welche sich massiv auf das Image und die Werthaltigkeit des Clubs auswirkt. Vertreter derjenigen Clubs, die sich als die „zweite Klasse“ oder „benachteiligt“ vorkommen, sollten tunlichst vermeiden den Eindruck des Neides zu erwecken oder gar argumentativ in die Falle laufen, dass das eigene Handeln als Versagen aufgenommen wird.
Die Erkenntnis darüber, dass es keine Zweiklassengesellschaft von vornherein gibt, sondern dass Erfolg nur mit bestimmten Faktoren zu er-reichen ist, bedingt das Wissen über die drei wichtigen elementaren Erfolgsfaktoren im Profifußball, die 3 Ks:
1. Konzept
2. Kompetenz
3. Kapital
In der Praxis kann man nachvollziehen, dass wenn nur ein „K“ fehlt, kein Erfolg gegeben ist. Diese Theorie spiegelt sich auch im Tabellenplatz eines Clubs wider.
Die drei „Ks“ spiegeln die Qualifikation eines Clubs in seinen wichtigsten Faktoren wider und sind wie folgt zu interpretieren:
1. Sportliches und wirtschaftliches Konzept
Zuallererst ist ein ausführliches und nachhaltiges Konzept erforderlich, welches sowohl den sportlichen als auch den wirtschaftlichen Bereich berücksichtigt und aufeinander abgestimmt ist. Hierbei muss die wirtschaftliche Konzeption die sportliche Konzeption zahlenmäßig widerspiegeln, dies in allen Einnahmearten und vor allem auch im Bereich der Vermarktung des Clubs. Es ist wichtig jedoch auch die Kriterien heraus zu arbeiten, die den Verein auch ohne sportlichen Erfolg wirtschaftlich gut aussehen lassen.
2. Kompetenz der handelnden Personen
Ein Konzept ist nur wirksam in seiner erfolgreichen Umsetzung. Hierzu bedarf es der Kompetenz der handelnden Personen, in der obersten Ebene beginnend. Die Bundesliga weiß selbst, dass noch nicht alle Clubs mit den personellen Qualitäten besetzt sind, die für ein erfolgreiches sportliches und wirtschaftliches Handeln notwendig sind.
3. Kapital zur Umsetzung der gesteckten Ziele
Kapital muss nicht von Beginn an vorhanden sein, erleichtert je-doch den Einstieg zu einer erfolgreichen Umsetzung von Vorhaben. Kapital kann ebenso durch ein fundiertes Konzept und kompetent handelnde Personen generiert werden. Für die Akzeptanz dieser Aussagen hilft ganz einfach die Feststellung, dass auch die erfolgreichen Clubs, wie zum Beispiel ein FC Bayern München, nicht schon immer wirtschaftlich und sportlich stark waren, sondern dies erst durch weitsichtige Persönlichkeiten wie ein Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge oder Karl Hopfner wurden.
Dieses Wissen führt zu der Erkenntnis, dass alle Clubs nahezu dieselben Voraussetzungen für den Erfolg haben. Jedoch bedeutet die Miss-achtung eines Ks auch, keinen Erfolg zu haben.
Es ist in der Praxis geradezu verwunderlich, dass führende Personen des Managements von Bundesligaclubs sich über Chancengleichheit beschweren, obwohl sie gerade vom Standort, dem Umfeld und der Historie her nahezu gleichartige, wenn nicht noch bessere Voraussetzungen als Bayern München haben. Solche Aussagen können nur als Alibi für die unzureichende Inanspruchnahme von Erfolgsfaktoren gewertet wer-den und sind daher auch als Ablenkungsmanöver zu sehen. Dies betrifft in hohem Maße auch die Diskussion um die Traditionsvereine. Im öffentlichen Dienst erlaubt es das Beamtenrecht, dass man im Laufe der Dienstjahre immer mehr verdient, ohne mehr leisten zu müssen. In der Bundesliga kann es bestimmt nicht sein, dass man durch langjährige „Zugehörigkeit“ einen Traditionsstatus erreicht, der gleichzeitig die Erlaubnis zu mehr Pfründen ergibt, dies ohne die Erhöhung der eigenen Anstrengungen. Die meisten Traditionsclubs haben auch erkannt, dass sich Leistung und Tradition jedes Jahr neu beweisen müssen, und haben auch den Erfolg. Tradition bedeutet ohnehin nicht, Asche aufzubewahren, sondern eine Flamme am Leben erhalten, so Jean Jaures.
Erfolg ist machbar: Dies beweisen genügend Clubs in der Bundesliga, an ihrer Spitze der FC Bayern München und Borussia Dortmund. Und dies in unterschiedlichen personellen Ausprägungen. Während der FCB seinen Erfolg u.a. auf ehemaligen Spielern aufgebaut, ist dies bei Borussia Dortmund in erster Linie auf Personen, die keinen „Stallgeruch“ als Sportler aufweisen können. Sehen wir einmal vom sportlichen Bereich ab.
Der FC Bayern München hat schon während der Zeit des unübertroffenen Uli Hoeneß mit Karl-Heinz Rummenigge einen Vorstandsvorsitzen-den gewählt – ein Typ des ziel- und teamorientierten sowie konzeptionell denkenden modernen Managers – der sich auch in die wichtige Gremien-arbeit der europäischen Clubs als Vorsitzender einbringt. Der FCB lässt unter Karl-Heinz Rummenigge und seiner Managementcrew keine Chance einer image- und einnahmeerhöhenden Maßnahme aus, immer unter dem Gesichtspunkt, dass Wachstum nur mit Qualität erreicht wer-den kann.
Borussia Dortmund hat unter der Ära des glaubwürdigen Systemdenkers und Wirtschaftsexperten Joachim Watzke eine Wiederbelebung der traditionellen Erfolgswerte von Borussia Dortmund erreicht. Ein Erfolgsrezept war hier die Erweiterung des Managementkreises um Erfahrungs-kompetenzen wie z.B. durch den ausgewiesenen Marketingexperten Carsten Cramer. Mit Dr. Reinhard Rauball hat Borussia zusätzlich einen Hüter des Ausgleichs und der Seriosität, der den Spagat zwischen Ligatätigkeit und Clubinteressen sehr souverän meistert.
Schaut man in die Runde der Bundesligisten könnte man selbstverständlich noch weitere kompetente Managementkonstellationen erwähnen, die das K der Personalkompetenz würdig ausfüllen, wie z.B. Michael Schade von Bayer Leverkusen, dem seine Konzernerfahrung bei Bayer eine her-vorragende Grundlage bietet, oder das neue Erfolgsgespann Wehrle / Schmadtke beim 1.FC Köln, die hervorragend bewiesen haben, dass man auch einen Club aus den unseriösen Schlagzeilen in den Erfolg führen kann, oder denken wir an die nicht unbedingt im Vordergrund stehenden kompetenten Geschäftsführer wie ein Schippers, der seit Jahren Borussia Mönchengladbach sicher führt.
An dieser Stelle muss auch die Spitze der Organisation der Bundesliga, die DFL, erwähnt werden. Christian Seifert ist der Garant für klare Führungsprinzipen in der Liga, aber auch ein fachlich hervorragender Visionär für die Zukunft der Liga. Er schafft es einen an sich heterogenen Personenkreis nach außen hin sehr homogen erscheinen zu lassen, dies mit dem nötigen Durchsetzungsvermögen, aber auch Respekt vor der Leistung der einzelnen Clubs.
Man sollte immer dann sehr aufmerksam die Szene beobachten, wenn jemand Themen belegt, die von grundsätzlicher Bedeutung für die Liga sind. Denken wir an die 50 plus 1 Regel, die die Bundesliga mit klaren Vorstellungen zur Wahrung der wirtschaftlichen Seriosität der Liga eingebracht hat. Man sollte den Vertretern der Aufweichung dieser Regel klar-machen, dass man diese erst einmal nutzen sollte, bevor man sie ab-schafft. Es schlummern Hunderte von Millionen Euro in dieser Liga, die allein durch die Beteiligungsmöglichkeit von 40 Prozent gehoben werden könnten. Es sollten jedoch Vorschläge unterlassen bleiben, die reine Investoren nach dem Vorbild England ins Spiel bringen. Denn die Interessenslage von Investoren ist anders als die von InSoren. InSoren sind Unternehmen, die gleichzeitig Sponsoren und Investoren sind. Den gesa-ten Vorgang nennt man InSoring® Durch die Kombinatorik Investor und Sponsor ergeben sich seriöse nachhaltige Werterhaltungsziele sowohl im Rendite- als auch im Imagebereich, die dem Club zugutekommen. Beste Beispiele sind hier die InSoren des FC Bayern München wie Adi-das, Audi und Allianz.
Die 50 plus 1 Regel sollte zum Schutz der Vereine erhalten bleiben, jedoch sollte diese auch genutzt werden. Dies sehen auch die Fans/ Kun-den der Bundesliga-Clubs so. Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts IPP GmbH aus Nürnberg im Auftrag der SLC Management GmbH, Nürnberg aus dem Januar 2016 sprechen sich 83% gegen eine Abschaffung aus! Die Angst vieler Clubs um die Meinung ihrer Mitglieder für die Zustimmung eines Beteiligungsweges beruht oft auf ungenügender Aufklärung und auch der Kenntnis über die Meinung der Mitglieder. Selbstverständlich gehört auch die klare Nutzendarstellung einer Nutzung der 50 plus 1 Regel zum Informationsportfolio. Es ergeben sich auch noch starke Defizite in der Bewertung der Clubs, bei denen bei Weitem die bei Unternehmensbewertungen angewandten Maßstäbe nicht ausreichen. Es fehlen hier vor allem die Quantifizierung der entscheidenden nachhaltigen Wirkungsfaktoren eines Clubs. Bei wissenschaftlicher Kenntnis der Wertansätze bei Knappheit von Gütern sowie der Bewertung von immateriellen Gütern bei Clubs würden derzeitige Protagonisten der Abschaffung der 50 plus 1 Regel sehr schnell merken, dass ein Verkauf von 40 Prozent des Clubs den gleichen Wert ergeben können wie ein derzeitig angedachter Verkauf von 80 Prozent. Man sollte deshalb dieses Thema offener und fachkundiger diskutieren, dies auch, um der Wirtschaft Signale der Beteiligungsmöglichkeiten zu senden. Diese leidet derzeit noch an der ungenügenden Information dar-über, dass eine Beteiligung an Clubs mehr Zwecken dienen kann als normale Unternehmensbeteiligungen.
Die Bundesliga ist ein höchst erfolgreiches Unternehmen, welches seinen Clubs hervorragende Arbeits-, Umfeld- und Imagebedingungen liefert. Clubs sollten sich nach den 3 Ks richten und das Angebot der Liga annehmen. Der Begriff Zweiklassengesellschaft versucht nur einen Zu-stand ohne Analyse wiederzugeben. Und die Analyse beginnt damit, dass man ehrlicherweise zugibt, dass alle mal „klein“ mit fast denselben Bedingungen angefangen haben, jedoch eigene Versäumnisse das Ab-rutschen nach unten forciert haben. Denken wir zuletzt auch noch an die Fans/Kunden der Bundesliga: Sie haben das Anrecht darauf, dass ihr Club entsprechende Anstrengungen unternimmt, und dass das Management auch manchmal selbst erkennt, dass eine Wachablösung erfolgen muss, wenn der Erfolg nicht gegeben ist.
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