Für einen Klub aus dem Lavanttal ist der Wolfsberger AC ziemlich berühmt. Das liegt weniger an der sportlichen Performance, als an einem feinen Gespür für den Umgang mit den Neuen Medien. Zuständig ist Daniel Roßmann, der 90minuten.at tiefe Einblicke in seine Arbeit gewährt. Das Gespräch führte Georg Sander
90minuten.at: Wie kommt man zu einem guten Social Media-Auftritt?
Daniel Roßmann: Ich denke, es kommt auf die Persönlichkeit drauf an, ob der Verantwortliche Schmäh hat. Man muss seriös und ehrlich sein, aber eben auch einen Schmäh haben. Denn es ist ja für kleine Vereine nicht so leicht, interessant zu sein. International ist es ganz schwierig, national ist das Interesse auch enden wollend, auch wenn wir eine der zehn besten Vereine des Landes sind. Und nur zu posten „Heute ist Spieltag“, dazu die Aufstellung, das ist ein bisschen fad, weil man es überall liest.
90minuten.at: Aber es ist dem WAC in Ihrer Person eher passiert, als das es geplant war?
Roßmann: Einerseits ist das passiert, andererseits war und ist der Plan, dass wir wahrgenommen werden. Dass es mit dieser Art funktioniert wussten wir natürlich nicht.
90minuten.at: Haben Sie das freie Hand? In Deutschland gibt es ja große Teams, die das betreuen.
Roßmann: Es gibt Grenzen, wie etwa, dass wir keine negativen Wörter über den Gegner, den Schiedsrichter, Sponsoren verlieren. Oder über die Politik. Gewaltaufrufe, Homophobie, Sexismus, Rassismus und sonstige Diskriminierungen löschen wir kommentarlos und die Leute werden geblockt. Da gibt es zwar interne Vorgaben, aber das würde ich sowie so so machen.
90minuten.at: Ist der Social Media-Auftritt in Zahlen bemessbar?
Roßmann: Das ist schwierig. Ich kann die Reichweite messen, aber in Euro ist es kaum anzugeben. Wir haben einen Onlineshop, da generieren wir quasi aus unserer Tätigkeit Einkünfte. Sammler, die durch Aktionen, Tweets oder andere Postings aufmerksam werden, bestellen sich dann unsere Trikots. Und wir merken schon, dass, wenn wir einen neuen Fanartikel posten, dieser auch gekauft wird. Aber ich kann nicht sagen, dass wir durch den Twitteraccount so und so viele Euro einnehmen.
90minuten.at: Welchen Aufwand betreiben Sie?
Roßmann: Ich mache das um ehrlich zu sein spontan, es läuft immer ein bisschen mit, außer rund um Spieltage. Wenn mir etwas gutes einfällt, poste ich es, ich denke viel darüber nach, was gut ankommen könnte.
90minuten.at: Facebookseite haben die meisten Vereine. Aber ist Social Media mittlerweile ein Muss, wie VIP-Plätze, Stadionbier und Vereinszeitung?
Roßmann: Es hat eine Zeit gegeben, da hieß es, dass man ohne Website nicht existiert. Jetzt ist das so mit den Social Media-Kanälen. Du erreichst die Jungen nicht über die Zeitung. Auch immer weniger im Fernsehen. Wir gehen den Weg mit Snapchat. Da wissen wir, dass das Leute zwischen 13 und 25 sind, die interagieren, schreiben zurück. So erreichen wir sie. In der Zeitung sind wir ja sowie so.
90minuten.at: Ist oder war es schwer vermittelbar im Verein, wenn ich etwas mache, wo sich der finanzielle Benefit in Grenzen hält?
Roßmann: Im Gegensatz zu Printmedien, wo wir keine Gestaltungsmöglichkeiten haben, bekommen wir online das direkte Feedback. Wir durchforsten die Kanäle nach Kritik, haben auch die Nachrichten auf Facebook freigeschalten. Wir antworten immer, fast zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir wollen dieses Feedback und wollen reagieren. Wenn wir ein Spiel in Wolfsberg haben und es schüttet und es ist irgendetwas am Parkplatz, dann lesen wir das online und können gleich drauf reagieren. Das ist auch das einzige, wo wir direktes Feedback bekommen. Und wir fragen das auch aktiv.
90minuten.at: Ein erweitertes Vereinssekretariat?
Roßmann: Ein Teil davon sicher, weil wir auch sehr viele Anfragen wegen Tickets bekommen. Die Jungen googeln keine Telefonnummer, sondern der schaut auf Facebook. Er schreibt, weil er auch weiß, dass wir antworten. Ich nenne es aber eher Fanservice.
90minuten.at: Social Media wird von den Vereinen der Bundesliga unterschiedlich genutzt. Gehört das ausgebaut? Es ist ja nicht so, dass die Fans den Vereinen insgesamt die Türen einrennen.
Roßmann: Wie wichtig das bei anderen Vereinen ist, kann ich nicht beurteilen. In der Bundesliga nehmen die meisten das sehr ernst. Ich will mit auch etwas abschauen. Die Austria macht zum Beispiel viel mit Live-Videos, die haben ein Kamerateam und arbeiten sehr professionell. Sie nutzen Twitter aber völlig anders als wir. Auch Rapid, Sturm, Ried und Altach haben gute Aktionen, wo man sich immer wieder neue Ideen holen kann.
90minuten.at: Geht es auch ohne Social Media?
Roßmann: Das geht sicher, die Frage ist, ob man auf diesen Teil verzichten will. Ein Beispiel: Christoph Wernitznig kommt bei unseren jüngeren Fans sehr gut an. Er hat einen gewissen Style und passt in die heutige Zeit. Wenn ich ein Bild von ihm poste, habe ich viel Interaktion, weil sich viele für ihn interessieren. Das gilt auch für Autogrammstunden. Wenn er kommt, dann kommen mehr junge Menschen. Für uns wäre es schwierig, wenn wir das nicht hätten. Man kommt wohl auch ohne Social Media aus, aber es ist eben ein wichtiger Teil geworden und ich wüsste nicht, wie ich die jungen Fußballfans sonst erreichen würde.
90minuten.at: Muss das generell noch ausgebaut werden, wie Social Media betrieben wird?
Roßmann: Es kommt immer drauf an, wie sich der Verein nach außen hin darstellen will. Größere Vereine mit einer großen Fanbase kommen ohne so einem Extra wohl besser aus als kleine Vereine.
90minuten.at: Das ist wohl ein Knackpunkt. Würden alle Fans, Berichterstatter und Beobachter den WAC so wahrnehmen wie heute, gäbe es Social Media nicht?
Roßmann: Gewisse Stories hätte es nicht gegeben. Wir haben dem TSV Winsen (Anm.: Ein deutscher Unterhausklub, der vor allem für seine launigen Tweets bekannt ist.) einen Stadionsitz geschickt, das hat es ins Fernsehen geschafft. Auch die Geschichte mit Pokemon Go, als wir ein Foto mit einem scherzhaften Verbot während der Fußballspiele gepostet haben, wurde aufgegriffen. Uns bringt das insofern was, als dass unsere Sponsoren mitunter international präsentiert werden. Beim Ronaldoselfie hat die Gazetta dello Sport angerufen, portugiesische Medien und sogar aus den USA. Das bringt etwas.
90minuten.at: Für einen kleinen Klub ist es fast die einzige Chance abseits außergewöhnlicher sportlicher Leistungen aufzufallen, Präsenz zu bekommen? Das launige Getwittere passt ja auch zu Kärnten.
Roßmann: Es ist sehr situationsabhängig. Wenn wir ab der ersten Runde gegen den Abstieg spielen, traue ich mich nicht, lustig zu sein. Es hängt schon mit dem sportlichen Erfolg der Mannschaft zusammen, wie erfolgreich ein Social Media-Auftritt ist. Wenn wir Letzter sind, schicke ich dem TSV Winsen keinen Sessel. Aber ein Verein wie Rapid muss nicht durch Witz und Sarkasmus auffallen. Erstens machen sie das sehr professionell und zweitens sind sie eh oft in den Medien.
90minuten.at: Muss man auch aufpassen, dass man es mit dem Spaß nicht übertreibt? Ein Fußballverein ist ja ein mittelständisches Unternehmen. In Deutschland reißen viele Vereine die Oberhoheit über Interviews und Außendarstellung an sich.
Roßmann: Das ist schwer vergleichbar, weil Deutschland halt viel größer ist. Wenn du in Österreich als Verein ein Testspiel streamst, schauen sich das vielleicht 3.000 Leute an. Wenn Bayern ein Testspiel streeam, schauen sich das 300.000, auch wenn der Aufwand dort nur marginal größer ist. Für die zahlt sich das anders aus. Aber Österreich muss sich mit den Großen messen, immer besser werden wollen. Umlegbar ist es aber nicht.
90minuten.at: Ist das nicht gefährlich? Der Fan lässt sich ja nicht häkeln, wenn alles immer besonders gut dargestellt wird und der Zugang der Journalisten beschränkt wird, wenn immer mehr nur von Vereinsseite auf Social Media kommuniziert wird.
Roßmann: Aus Vereinssicht ist es legitim, dass man die Außendarstellung selbst bestimmt. Es ist Aufgabe der Medien, zu differenzieren. Ich als WAC werde nicht schreiben, dass wir nach einer hohen Niederlage extrem schlecht gespielt haben und welche Fehler wir gemacht haben. Ich schreibe, dass wir ein Tor bekommen haben, dass wir verloren haben, aber nicht mehr. Würde jedes Unternehmen immer 100 Prozent negativ-kritisch über sich selbst schreiben, gebe es auf der Welt keine PR-Unternehmen mehr.
90minuten.at: Das heißt, die Vereine dürfen es nicht übertreiben, egal in welche Richtung.
Roßmann: Man muss sich bewusst sein, dass der Fan sich auskennt. Wenn wir gegen die Admira 5:1 verlieren, kann ich das ja nicht schön schreiben; aber man wird sich nicht selber runter schreiben. Das machen die Medien und der Fan würde das ja merken. Ich kann ja nicht schreiben „Der WAC ist super“ und alle 35. 000 Facebookfans stimmen zu. Durch den Facebookalgorithmus sind die kritischen Stimmen ja auch immer ganz oben und das liest jeder. Wenn ich schreibe „Wir sind jetzt Letzter, aber der Europacup geht sich locker aus“, kann ich mir das zwei Mal leisten und dann kommt der Shitstorm, die Medien hinterfragen das dann. Wir haben da eine Verantwortung.
90minuten.at: Das oberste Gut ist also die Glaubwürdigkeit?
Roßmann: Es ist einfach so, dass du das direkte Feedback hast. Noch ein Beispiel: Wenn einer uns in 92. Minuten ein Tor schießt, und ich schreibe nur Ausgleich, habe ich sofort zehn Kommentare, wie der Ausgleich zustande gekommen ist. Die Fans weisen darauf hin, wenn ich unglaubwürdig werde.
Wir danken für das Gespräch!